Mittwoch, 31. August 2011

Unterwegs zum Powidl (III)


Zwetschgenröster

Rund um den Powidl entzünden sich - genau wie um viele andere überlieferte Gerichte und Zubereitungen aus den Küchen der "einfachen Leute" - gerne mal zwar nicht grad Glaubenskriege, aber doch Scharmützel: das einzig echte Rezept gegen die einzig authentische Zubereitung. Da wissen Gourmets des dritten Jahrtausends ganz genau, wie Mitzi Pimplhuber aus Kukuruzpatschen hinter den sieben Bergen vor zweihundert Jahren ihr Wasser&Brot-Süppchen gekocht hat. Oder ihren Powidl. Mit Gewürzen! Nein, ohne! Gesüßt! Niemals! Und vor allem: aus frischen Zwetschgen! Keinesfalls, unbedingt aus getrockneten Früchten!

Ich glaub nicht, dass sich das klären lässt: Weil ja schon die Frage in die Irre führt. Im Grunde genommen, so stellt Franz Maier-Bruck fest, sei jeder Haushalt "eine eigene, autochthone Kochlandschaft mit unzähligen Querverbindungen, familiären, lokalen wie überregionalen Einflüssen und Bezugspunkten". Und einer dieser Bezugspunkte, so würde ich ergänzen wollen, war (und ist) in der Arme-Leute-Küche die Decke, nach der es sich zu strecken galt, um die Familie trotz knapper Ressourcen satt zu bekommen. Das klappt nur, wenn pragmatisch agiert wird - und so wird Mitzi Pimplhuber je nach Rahmenbedingungen entschieden haben, ob der Powidl aus frischen oder aus getrockneten Zwetschgen gekocht werden sollte.

Isoliert betrachtet ist Powidl aus Dörrzwetschgen Vergeudung von Ressourcen: Erst wird den Zwetschgen beim Dörren der größte Teil des Wassers entzogen, hernach wird es ihnen per Einweichen wieder zugesetzt, und schließlich beim Powidlkochen wieder verdunstet. Trotzdem konnte das die Methode der Wahl sein: wenn der Ertrag sehr vieler Zwetschgenbäume hurtig zu verarbeiten war, um nicht zu verderben. Aber wenn die Früchte nicht gleich zentnerweise anfielen, wanderten sie vernünftigerweise wohl sofort vom Baum in den großen Kessel: Warum doppelt Brennholz verfeuern - erst im Dörrhaus, dann im Herd -, wenns nicht unbedingt nötig ist?

Von daher: Geben Sie nix drauf, wenn Ihnen erzählt wird, "ursprünglich" sei der Powidl auf diese oder jene Weise hergestellt worden, und folglich ergäbe auch nur diese oder jene Methode "richtigen" Powidl. Wie der allererste Powidl gekocht wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Aber von da an, da hab ich keine Zweifel, gings pragmatisch zu. Halten Sie es ebenso - meiner Meinung nach wird das der Küche von anno dunnemal eher gerecht als nostalgisch verklärte Versuche, das "Ursprüngliche" wieder auferstehen zu lassen.

In der nächsten Folge werd ich dann hoffentlich nicht wieder abschweifen, sondern endlich beschreiben, wie ich Powidl koche. :-)

(Und das Foto oben zeigt aus dem Powidlkochtopf stibitzten Zwetschgenröster - auch so ein böhmisch-wienerisches Schmankerl, ein Mittelding zwischen Kompott und Mus.)




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3 Kommentar(e):

Claudia meint:

Ich muss Zwetschgen kaufen. Dringend. Das Foto hat sofort den Geschmack von Zwetschgenröster wach gerufen und ich will den jetzt sofort haben ;-)

katha meint:

schönes zitat (ist ja auch aus einem meiner "unverzichtbaren" kochbücher). der eigene geschmack, der durch kindheit und familiäre traditionen geprägt wird, ist beim kochen wichtiger als jedes "gehört sich", daran besteht für mich überhaupt kein zweifel.

Hedonistin meint:

@Katha - ja, ohne Maier-Bruck gehts nicht. :-)

Und ohne Vertrauen in den eigenen Geschmack eigentlich auch nicht, aber das ist nicht jedem/jeder gegeben, bzw kommts halt auch erst mit zunehmender Kocherfahrung.