Chai Latte nach Art der Frau des Detektivs

Fast möchte ich Barbara von der Spielwiese beneiden: Wäre ich, wie sie, kein großer Fan von Kaffee, hätte es manch tristen Morgen nicht gegeben. Aber ich mag Kaffee. Und ich brauche zu Tagesbeginn viel, sehr viel davon, um die Verwandlung vom Zombie zu mir selbst zu vollziehen. Das würde bestens passen - aber dummerweise vertrage ich Kaffee nur noch in kleinen Mengen, jedenfalls so, wie ich ihn mag, stark und schwarz. Kaffee mit Milch oder Sahne geht gar nicht. Überhaupt habe ich zu Milch als Getränk ein leicht gestörtes Verhältnis: Kalt jagt sie mir ebensolche Schauder übern Rücken. Wenn ich Milch trinken soll, dann muss sie heiß sein, fast noch kochend, mit dem feinporigen Schaum drauf, der sich bei Aufwallen bildet, und sie muss gesüßt und irgendwie aromatisiert oder gewürzt sein. Heiße Vanillemilch: wunderbar, heiße Schokolade sowieso. Heiße Milch mit Kaffee (oder umgekehrt) trinke ich dagegen nur ausnahmsweise und zur Not, nur nachmittags und nur mit einem Stückchen Kuchen dazu - aber nicht gern.

Die Suche nach einer Koffein-Alternative für die tägliche Menschwerdung schien mir erst gar nicht schwierig: Zu einem gepflegten Tässchen Tee sage ich nie Nein, warum also nicht einfach Tee zum Frühstück? Weil, wie sich schnell zeigte, Tee am Morgen auf mich wirkt wie kalte Milch: Der Magen krümmt sich schon vor dem ersten Schluck und verweigert schockiert die Aufnahme. Da half auch keine Tarnung mit Zitrone, und die Zugabe von Milch verbot sich von selbst, Tee mit Milch fand ich immer schon noch viel gruseliger als Kaffee mit Milch.

So schlurfte ich, von kleinen Notratiönchen Espresso mehr schlecht als recht auf Touren gebracht, als Dreiviertelzombie durch die Vormittage, und hatte mich schon fast mit diesem Schicksal abgefunden. Doch dann trat Vish Puri in mein Leben. Und während ich gespannt verfolgte, wie er den Fall der verschwundenen Dienerin löste, konnte ich einen kurzen Blick in seine Küche werfen, wo gerade "die Milch mit Kardamom und schwarzen Darjeelingblättern auf dem Herd stand", um wenig später von Vish Puris allerwertester Ehefrau in eine Kanne gefüllt und heiß und duftend serviert zu werden.

Das ließ mich nicht los. Ich konnte es fast schmecken: heiße Milch mit feincremigem Schaum, dem süßwürzigem Duft von Kardamom, dem zartfruchtigen Aroma feinen Darjeelings ... vielleicht noch untermalt von einem Hauch Ingwer? Getoppt von einer Prise Pfeffer? Auf jeden Fall Milch, nur Milch mit Gewürzen und Teeblättern, nicht eine wässrige Mischung von klassisch aufgegossenem Tee und aufgeschäumter Milch. Musste ich haben, sofort. Ich machte Milch heiß, warf ein Säckchen mit Teeblättern und Gewürzen rein, ließ das aufkochen und ein Weilchen ziehen ... und war vom ersten Schluck an süchtig. :-)

Rezept gibts nicht, brauchts auch nicht, weils ja eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, welche Gewürze verwendet werden. Für mich muss großzügig Kardamom rein, dazu Ingwer, schwarzer & weißer Pfeffer, und ein wenig Nelke. Oder Muskat. Oder Sternanis. Oder Orangenschale ... Alles ist möglich, außer Zimt, da bin ich eigen. :-) Wer nicht selbst mixen will: Indische und Asia-Shops bieten Fertiggewürzmischungen für Chai in unterschiedlichen Zusammensetzungen an - zimtlose hab ich aber noch nicht gesehen. Noch bequemer sind natürlich Teebeutel für Masala Chai, die's nicht nur in Fernostläden gibt, sondern auch im Supermarkt um die Ecke: Während ich noch literweise Kaffee süppelte, hat sich Chai Latte an meiner Wahrnehmung vorbei zum Trendgetränk gemausert. :-)

Aber gut, geh ich halt einmal mit der Mode. Was mir nicht schmeckt, ist nur die Tatsache, dass ich nun beim Frühstücksgebäck ein wenig noble Zurückhaltung walten lassen muss: Milch schmiegt sich doch etwas inniger an die Hüften als ungesüßter schwarzer Kaffee. :-)

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