Das Wort zum Wochenende: Reizgläschen
[Zur Zeit des Ersten Weltkriegs] gab es sowohl in Deutschland wie in Österreich Bestrebungen, das "Fremdwort-Unwesen" in der Wiener Küche und im Gastgewerbe zu beseitigen und "so der deutschen Sprache auch auf diesem Gebiete zu ihrem Rechte zu verhelfen". [...] Aus dem Küchenchef sollte beispielsweise ein Küchenmeister werden, aus dem Garderobier der Kleiderwart, aus dem Café-Restaurant das Kaffee- und Speisehaus, aus der Saison die Betriebszeit, aus dem Aperitif das Reizgläschen, aus der Wiener Melange ein Milchkaffee oder aus dem Likör der Süßschnaps. Man sollte nicht mehr blanchieren, garnieren, gratinieren oder panieren, sondern abbrühen, belegen, überkrusten oder einbröseln. [...] So weit bekannt ist, verzichteten die Wiener Lokale aber auf Begriffe wie "künstlicher Säuerling in der Spritzflasche" und servierten statt dessen weiterhin Sodawasser aus dem Syphon.
Christian Mertens: 'Wir haben mit dem Kochlöffel gekämpft!' Kochen in Wien während des Ersten Weltkriegs; in: Heut' muß der Tisch sich völlig bieg'n; Wien 2007
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3 Kommentar(e):
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"Reizgläschen" ist in der Tag das Highlight, äh entschuldigung der Höhepunkt dieser Abhandlung ;-)
Viele Grüße und schöner Tag noch,
Juliane
In Frankreich gibt es ja auch heutzutage derlei Sprachbereinigungen, die haben es aber zumindest kulinarisch auch etwas einfacher ;-)
Andererseits -- wie sollte das schöne Wort "Sättigungsbeilage" sonst wohl tituliert werden?
Auch wenn ich es fast verschlafen hätte, schön, dass du wieder da bist und bloggst. Ich habe es doch sehr vermisst. Schöne Grüße