Mittwoch, 1. Juli 2009

Sommerbücher, antiquiert


Empfehlungen für die Sommerlektüre wünscht sich die Genussmousse-Crew. Schwierig, dachte ich zunächst: Denn was mir in jüngster Zeit an Krimis unterkam (ohne Krimi geht die Hedonistin nie ins Bett), ließ mich zwar oft schaudern, aber nicht ob der gebotenen Spannung. Sie waren zwar nicht alle grottenschlecht, aber keiner war so gut, dass ich ihn vorbehaltlos empfehlen könnte und wollte. Zum Glück – was würd ich sonst heute bloggen, wo ich doch gestern nix gekocht habe? – fragt die Genussmousse-Crew aber nicht nur nach Neuerscheinungen, sondern nimmt Empfehlungen quer durch die Zeiten und Genres entgegen.

Also ein Sprung zurück in die 50er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Da erschien die Geschichte um eine Frau, die gegen allerlei Widerstände und Widrigkeiten ein Unternehmen zu leiten und dabei den Mann ihres Herzens zu gewinnen versucht. Im Stil gleichermaßen schlicht wie ein wenig schwülstig, mit richtig guten Guten und richtig bösen (oder auch doofen) Bösen. Eine fast abschreckend dicke Schwarte von weit über 1000 Seiten, mit der sich jemand erschlagen ließe. Was zumindest in der Fiktion auch schon geschehen ist: in Matt Ruffs Stadtwerke-Trilogie. Die ist eine Parodie auf Atlas Shrugged - deutscher Titel: Wer ist John Galt? -, das als eins der einflussreichsten politischen Bücher des 20. Jhs in den USA Karriere gemacht hat.

Denn die Liebesgeschichte ist nur der Rahmen, innerhalb dessen Ayn Rand ihr Ideenbild malt: ein etwas greller Objektivismus, dessen durchaus vorhandene Zwischentöne manchmal nur schwierig auszumachen sind. Was mit dazu beigetragen haben dürfte, dass Rands Philosophie vor allem auf "Ja, aber"-Zustimmung zu stoßen scheint. Die Lektüre von Atlas Shrugged ist sicher nicht der Schlüssel zum Verständnis der USA, wie Scot Stevenson auf USA erklärt zutreffend anmerkt, aber durchaus hilfreich; und im derzeitigen Wirtschaftskrisenlicht wirkt das Buch erstaunlich aktuell. Interessant übrigens, dass - wie der Economist festgestellt hat - die Verkaufszahlen des Romans immer dann in die Höhe schnellen, wenn die Regierung ein Bankenrettungspaket schnürt. :-)


Und weil ich Matt Ruff erwähnt habe: Sein schon vor 20 Jahren erschienener Erstling Fool on the Hill ist eins meiner All-Time-Lieblingsbücher. Womit ich zweifellos alles andere als allein bin auf der großen weiten Welt. Falls es aber irgendwo da draußen - vielleicht in einem Paralleluniversum? In der jüngeren Generation? - irgendjemanden gibt, ders noch nicht kennt: unbedingt lesen! Witzig bis aberwitzig und äußerst vielschichtig bietet der Roman für jeden Geschmack einen Zugang: mensch kann ihn beispielsweise als wunderbarste Hunde- (und Katzen-) Geschichte aller Zeiten lesen – oder als etwas ganz anderes. Von Lovestory bis Heldenepos wird so ziemlich jedes Genre abgedeckt, üppig und rasant, atemlos und nachdenklich machend, todtraurig und zum Kringeln komisch … nur langweilig ist es nie. Die Einordnung als Fantasy - die mich dereinst beinah abgehalten hätte, es zu lesen - greift viel zu kurz. Märchenhaft triffts besser, aber ein Märchen ists eigentlich auch nicht, wiewohl es an das Kind im Menschen rührt. Eigentlich lässt der Narr auf dem Hügel sich nur mit einem Wort beschreiben: unbeschreiblich. :-)


Der Urlaub ist zu kurz für tausendseitige Wälzer? Vielpfünder sprengen den Freigepäcksrahmen? Allan Bennetts Souveräne Leserin passt in jede Hosentasche, reicht aber nur zur literarischen Untermalung eines Kurz-, nein Kürzeststreckenflugs. Lakonisch, etwas schräg, trockener Witz: Very British. Eine Liebeserklärung an Bücher – und an die Queen. Die, so viel sei von der Handlung verraten, zufällig (die Hunde sind schuld) in einen Bücherbus stolpert. Und als höflicher Mensch ein Buch entlehnt. Danach ist nichts mehr, wie es mal war im britischen Königreich ...

Die deutschsprachige Literaturkritik hat das Büchlein [im Unterschied zu den beiden erstgenannten ists auch keine Antiquität, noch nicht ;-)] über die Maßen gerühmt - das sollte nicht abschrecken, es ist wirklich ganz reizend. :-) Als Hörbuch (Sprecher: Jürgen Thormann) hat die feine kleine Novelle es übrigens auf die Bestsellerlisten geschafft. Was mich ein wenig erstaunt: Dieses schmale Bändchen selbst zu lesen, überfordert gewiss nicht und kostet auch kaum Zeit. :-)


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3 Kommentar(e):

Eva meint:

Danke - im heutigen übermächtigen Bücherdschungel ist mir jede persönliche Buchempfehlung eine große Hilfe!

Anikó meint:

Oh, ich liebe Matt Ruff! Bin auch durch Fool on the Hill süchtig geworden :-) Endlich mal einer, der das Buch zu würdigen weiß! Und ja, märchenhaft trifft es als Beschreibung genau!

reibeisen meint:

an der krimifront tut sich derzeit wirklich nichts aufregendes, das empfinden wir auch so. und auch sonst sind wir momentan ein bisschen ratlos, was neuerscheinungen angeht. umso schöner und wertvoller Deine empfehlungen. danke fürs mitmachen... :-)