Montag, 4. August 2008

Agar-Agar

Agar-Stick

Keine zerknüllte Frischhaltefolie, sondern ein Agar-Stick. Ich habs noch nicht ausprobiert - die Packung liegt als eiserne Reserve im Schrank -, vermute aber, dass es sich um vorgequollene, in Form gepresste und wieder getrocknete Agar-Fäden handelt. Letztere hab ich hierorts noch nie gesehen, daher auch keine praktische Erfahrung mit ihrer Verwendung. Am häufigsten wird Agar-Agar als feines pudriges Pulver angeboten, das ist auch am einfachsten zu handhaben; und allein darauf beziehen sich meine bisherigen Erfahrungen.


Bezugsquellen:

Erhältlich ist Agar-Agar in Asia-Shops (wo es teilweise unter anderen Bezeichnungen angeboten wird, z.B. als "China Grass" oder "Kanten"), in Reformhäusern, Naturkostläden, Drogeriemärkten oder auch Apotheken.

Im Supermarkt ists nur selten zu finden, dort gibts allerdings bei den Backzutaten Agartine: eine Mischung aus 20% Agar-Agar und Maltodextrin, abgepackt in 10-Gramm-Portionsbeuteln für je 1/2 Liter Flüssigkeit. Das ist nicht nur für Gelatine-Umsteiger angenehm, weil vom Handling ähnlich, sondern auch praktisch beim Gelieren kleinerer Flüssigkeitsmengen, wo man auch nur winzigste Mengen reinen Agars benötigt und einem die durchschnittliche Haushaltswaage den Vogel zeigen würde. :-)


Qualität:

Agar-Agar kommt nicht nur in unterschiedlichen Formen - Sticks, Fäden oder Pulver - daher, sondern auch in unterschiedlicher Qualität bzw Reinheit. Bei Agar-Pulver kann meiner Erfahrung nach die zum Gelieren von 1/2 Liter Flüssigkeit benötigte Menge zwischen knapp 2 und 8 Gramm schwanken. Bei einem Wechsel der Marke muss man also immer wieder neu probieren bzw die Herstellerangaben beachten.

Ein Blick auf die Packungsangaben empfiehlt sich auch, wenn man auf Glutenfreiheit achten muss. Agar-Agar ist zwar grundsätzlich glutenfrei, je nach Produktions- bzw Verpackungsprozess sind aber Verunreinigungen möglich.


Eigenschaften:

Agar-Agar entfaltet seine Gelierfähigkeit erst nach 2-minütigem Kochen. Die Gel-Bildung setzt dann beim Abkühlen ein, und zwar schon bei relativ hohen Temperaturen von 40-45 Grad - Agar-Zubereitungen gelieren also problemlos (und ziemlich flott) bei Raumtemperatur und schmelzen auch im Hochsommer nicht weg. Der Gelierprozess ist umkehr- und wiederholbar: Man kann Agar-Gelees durch Aufkochen verflüssigen, beim erneuten Abkühlen werden sie wieder fest - praktisch, wenn man zu wenig Agar-Agar verwendet hat und nachbessern muss. Natürlich empfiehlt sich diese Methode nicht, wenn man das Gelee z.B. mit geschlagener Sahne angereichert hat. :-)


Freund und Feind:

Meiner Erfahrung nach sprechen Milch und Sahne ganz begeistert auf Agar-Agar an; die Dosierung kann um gut ein Drittel (oder mehr) geringer ausfallen als bei anderen Flüssigkeiten. Es empfiehlt sich, das Pulver erst nach dem Aufkochen in die Milch zu streuen, ansonsten brennt die Sache sehr leicht an.

Weniger gut verträgt sich Agar-Agar mit Säure. Der Saft von ein oder zwei Zitronen auf 1/2 l Flüssigkeit ist i.A. kein Problem - es hängt aber auch von der Grundmasse ab: Ist die schon sehr sauer (z.B. Johannisbeeren), kann das die Gel-Bildung beeinträchtigen. Eine Erhöhung der Agar-Dosis hilft, aber nur in Grenzen: Ist die Sache zu sauer, entsteht bestenfalls eine schwabbelige Masse, aber kein Gelee, das diesen Namen verdient.

Sofern Säure extra zugefügt wird, gibts immerhin eine Lösung: Die Säure-Empfindlichkeit von Agar-Agar wirkt sich vor allem beim gemeinsamen Erhitzen aus. Im Zweifel also Zitronensaft u.Ä. erst nach dem Kochen einrühren, wenn die Masse auf unter 65 Grad abgekühlt ist.


Geruch und Geschmack:

Agar-Agar kann (muss aber nicht) beim Anrühren einen etwas strengen Duft entwickeln. Das ist aber kein Grund, die Sache der Mülltonne anzuvertrauen: Der Geruch verfliegt beim Kochen vollständig.

Der Geschmack von Agar-Agar zeichnet sich durch Nichtvorhandensein aus. Trotzdem wirkt es sich auf den Geschmack der Zubereitungen aus - vor allem im Vergleich zu Gelatine: Die schmilzt im Mund, während Agar-Gelees wegen der höheren Erstarrungstemperatur ihren "Biss" behalten und immer irgendwie "kühl" wirken. Insbesondere Milchgelees mit Agar erinnern viel mehr an Eiscreme als an Pudding.


Adaptierung von Gelatine-Rezepten:

Gelatine darf bekanntlich nur moderat erwärmt werden, um sich aufzulösen. Agar-Agar muss gekocht werden, weshalb die Zubereitungsschritte von Gelatine-Rezepten ein wenig adaptiert werden müssen.

Am einfachsten ist das bei Rezepten, wo die zu gelierende Flüssigkeit sowieso gekocht werden muss, z.B. bei Panna cotta: Während man bei Verwendung von Gelatine die gekochte Sahne erst abkühlen lassen muss, kann Agar-Agar gleich mitgekocht werden.

Wenn nur ein Teil der Flüssigkeit gekocht werden kann (oder muss), kommt das Agar-Agar dort rein. Die kalten Zutaten werden anschließend eingerührt. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Geschichte hurtig auf Erstarrungstemperatur kommt, und man z.B. bei mehrschichtigen Desserts oder Torten ohne stundenlange Wartezeit weiterarbeiten kann. Oder eben das Gelee in nullkommajosef verzehrfertig ist, während man bei Gelatine erst eine Nacht drüber schlafen müsste. :-)

Sieht das Rezept gar kein Kochen vor, hilft nur kreative Modifizierung: Geschlagene Sahne z.B. lässt sich mit Agar-Agar nicht wie mit Gelatine festigen. Aber vielleicht schadets ja nicht, wenn eine Art Sahnecreme entsteht? Dann könnte man z.B. einen Teil der Sahne durch Milch ersetzen, diese mit Agar aufkochen und nach ausreichendem Abkühlen die Sahne unterziehen. Allemal wirds immer Fälle geben, wo Agar-Agar eben doch nicht das Geliermittel der Wahl ist - aber es sind weniger, als man zunächst glauben möchte. :-)

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10 Kommentar(e):

Sivie meint:

Sehr interessant. Vielen Dank für die vielen Infos. Ich habe Agar-Agar bisher nur im Bio-Laden im Glas gesehen. Da stelle ich mir das Abmessen kleiner Mengen schwierig vor.

Anonym meint:

Danke schön! - Das Agertine habe ich dank Marcie's Tipp gefunden, wenn ich das jetzt aber richtig verstehe, entspricht das doch nicht deinem AgarAgar = also weiter suchen!

Marcie meint:

Wieder was gerlent! Danke für die Infos, ich hatte immer geglaubt, meine Agartine sei reines Agar-Agar. Aber macht ja nix, die funktioniert ja supergut und ist mir auch lieber als Gelatine.

Hedonistin meint:

@Eva - Ich bin ein Fan von Agartine und kann sie vorbehaltlos empfehlen (Allergikern allerdings nicht). Sie ist nur - jedenfall hierorts - deutlich teurer als reines Agar. Das seinerseits auch teurer ist als Gelatine.

@Sivie - Eine grammgenaue Waage ist beim Umgang mit Agar-Agar hilfreich, aber es geht auch ohne. Einfach mal ungefähr mit einem Teelöffel abmessen und probieren. Zu viel schadet nicht (dann weiß man eben beim nächsten Mal Bescheid und nimmt weniger), und wenns zu wenig war, kocht mans eben nochmal auf und gibt noch Agar zu. Ist ja nicht so wie bei Gelatine, wo das Ergebnis dann nicht mehr zu ändern ist. :-)

Schnuppschnuess meint:

Hochinteressant - ich wollte mich immer schon mal schlau machen zu diesem Thema - das Suchen kann ich mir ja jetzt sparen. Vielen Dank!

Anonym meint:

Der ganze Agar-Agar-Artikel ist doch nur ein Vorwand, um mal wieder ungehemmt sich der Süssigkeitenerzeugung auch in gefestigter Form hinzugeben :p

KochSinn meint:

Danke für den informativen Artikel. Nehme eigentliche viel zu selten Agaragar obwohl die Gelierkraft sehr überzeugend ist. Argantine ist mir noch nicht untergekommen, liegt vielleicht daran das ich Agaragar immer im Reformhaus gekauft habe.
Interessant ist die Kombination von Agar und Gelatine, eröffnet neue Möglichkeiten.

Food is just a 4-letter word meint:

Wow, Danke für die vielen Informationen - Ich wusste gar nicht, wie AgarAgar aussieht, benutze aber auch vor allem Agartine. :)

Anonym meint:

Für Saures (und Konfitüren, übrigens gibts in Frankreich sehr genialen Gelierzucker aus Rohrzucker mit Agar Agar) kann ich ansonsten Pektin empfehlen - das was im Bioladen als Konfigel verkauft wird geliert wie die Hölle (und taugt auch als Ersatz für 2:1 Gelierzucker, da man weniger Süssmittel nehmen kann). In geringer Dosierung kann man damit auch prima anderes zum Wabbeln bringen :-)

Nysa meint:

ich hab agar agar noch nie verwendet bzw. auch noch nie gesehen, aber auch nie danach gesucht! muss ich echt mal machen. danke für den ausführlichen eintrag!!!