Mittwoch, 18. November 2009

Kärntner Couscous: Talggen



Talggen

Als Spezialität der orientalischen Küche ist vorgegartes und zerkleinertes Getreide gut bekannt. Die alpenrepublikanische Version von Bulgur und Couscous fristet dagegen ein Nischendasein - obwohl sie über lange Zeit ein Grundbaustein der Ernährung der bäuerlichen Bevölkerung von Kärnten und Teilen der Steiermark und des Burgenlandes war. Dennoch ist der Talggen - in manchen Regionen auch Munggen genannt - weitgehend in Vergessenheit geraten. Vielleicht, weil er schon früh mit "Arme-Leute-Küche" assoziiert wurde. Oder weil er in der klassischen Zubereitung den Augen keine appetitliche Weide bietet, wie Franz Maier-Bruck mutmaßt:

Ein Städter mag ob dieses "dicken grawen Gampers" den Kopf schütteln, denn manchmal sind Spelten (die "Spieße") dabei und bleiben im Hals stecken, dann "stupft es halt beim Schlingen".


Der "dicke Gamper" besteht aus vorgegartem und anschließend gedarrtem Getreide, das beliebig grob oder fein geschrotet wird. Ursprünglich wohl nur aus Hafer zubereitet (der Name leitet sich vom frühslawischen tǎlkǔnǎ für Haferschrot her; eng verwandt ist übrigens auch der finnische Talkkuna, der vom russischen toloknó entlehnt wurde), kam im Laufe der Zeit jedes verfügbare Getreide zum Einsatz, und mehr: manchmal wurden auch Bohnen zugegeben.

Der hierorts erworbene Talggen - eine Mischung aus Hafer, Dinkel und Roggen - war sehr fein geschrotet, wie feiner Grieß. Wie solchen hab ich ihn auch verwendet. Das Rezept auf der Packung - Talggen in Salzwasser kochen, mit Butter verfeinern, fertig - fand ich nicht eben überzeugend, und den auch vom Verkäufer betonten Hinweis auf die kurze Garzeit ("Nur sieben Minuten kochen!") leicht absurd: Talggen kann zwar, muss aber nicht gekocht werden. Es reicht vollauf, ihn quellen zu lassen. Nicht zuletzt dieses einfache Handling hat den Talggen in früherer Zeit so populär gemacht. Er war die perfekte Verpflegung für unterwegs, am Feld, auf der Alm: Einfach in (saure) Milch, notfalls Wasser streuen, Löffel rein, essen. Frühes Fastfood. :-)

Ein klein wenig mehr Aufwand hab ich dem Talggen gegönnt, aber nicht viel mehr. Obwohl der Talggen auch herzhaft zubereitet werden kann, spielt er imho seine geschmacklichen Qualitäten in Süßspeisen am besten aus. Das Darren verleiht dem Talggen eine leicht malzige Note und nimmt ihm das "penetrante" Vollkornaroma, das mich sonst an Desserts und Kuchen aus der Vollwertecke stört.

Ich hab ihn zubereitet wie Grießbrei: Milch mit Vanille aufkochen, vom Herd nehmen, Talggen (50 g auf 500 g Milch), Zucker und eine Prise Salz einstreuen, unter Rühren leicht dicklich werden und dann ausquellen lassen. Das ergab einen Pudding, der so gerade eben sturzfest war - ein etwas höherer Talggenanteil wäre für diesen Zweck wohl besser - und sich mit Fruchtpüree fein als Dessert machte. Jedenfalls geschmacklich. Die Optik ist eher bescheiden, dicker grauer Gamper eben; aber das ließe sich, entsprechend angerichtet, gut kaschieren und ist nichts, was gegen den Talggen spricht.

Traditionell wird Talggen übrigens höchstens gekocht, aber niemals gebacken. So streng, meine ich, muss das bei der Neu-Entdeckung dieser alten Spezialität nicht gehandhabt werden: Was als Talkkuna Blueberry Pie höchst verlockend aussieht, lässt sich gewiss mit Talggen ebenso gut umsetzen.

Wers probieren will und keinen Kärnter Bauernladen in der Nähe hat, kann Talggen relativ einfach selbst herstellen - meint jedenfalls Franz Maier-Bruck unter Berufung auf das Kärtner Kochbüchl von Lia Miklau:

Talggen

Getreidekörner (Hafer, Gerste, Roggen oder auch gemischt), gewaschen
Wasser

Körner mit Wasser bedecken und aufs Feuer stellen. Sobald es warm ist, umrühren (das Unterste zuoberst wenden), noch so viel Wasser dazugeben, dass das Getreide nicht anbrennen, aber weiterquellen kann. Die Körner müssen zuletzt ganz bauchig sein. Dann alles in einen Korb gießen (das abfließende Wasser wird zu anderen Speisen oder als Trunk verwendet). Die Getreidekörner auf einem Leinentuch ausbreiten, an der Sonne (oder auf dem warmen Herd) kurz übertrocknen lassen; dann zum Trocknen in den warmen Backofen geben. Dabei einige Male durchrühren. Die Hitze darf 70 Grad nicht übersteigen, auch Luft muss durchstreichen können - die Körner sollen keinen Röstgeschmack bekommen, aber nach dem Trocknen beim Zerbeißen "spröd auseinander springen". Sie werden dann entweder grob gestoßen oder in der Mühle grob oder etwas feiner zu Schrot aufgebrochen.

Quelle:
Franz Maier-Bruck: Vom Essen auf dem Lande. Klassische Bauernküche und Hausmannskost




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6 Kommentar(e):

Buntköchin meint:

LOL : Das könnte ich nur mit geschlossenen Augen essen, sonst bleibt es wirklich im Hals stecken. Ich bin anscheinend zu sehr Städter und visuell zu empfindlich. :-)

Sivie meint:

Du hättest vielleicht die um die Ecke schauende rote Fruchtsauce darüber gießen sollen. Normaler Grießbrei sieht ja auch nicht besonders schick aus, ohne Deko.

Arthurs Tochter meint:

Das mit der Fruchtsauce halte ich für eine gute Idee! Die gibts doch in der einfachen Landküche auch, büüüüddddde!
Von Talggen habe ich noch niemals gehört! Wieder schön was gelernt, heute!

Anonym meint:

Hab' soeben die 5-Korn-Getreide-Mischung in den Ofen geschoben. Prima Idee für mein Frischkornmüesli.

Barbara meint:

Mir gefällt sowas - wahrscheinlich bin ich deshalb aufs Land gezogen. ;-)

Interessant! Und schlimm eigentlich, dass so vieles in Vergessenheit gerät. Wieder gefunden und aufgepeppt, damit hat man dann regionales Fastfood.

KochSinn meint:

Vielen Dank für die Talggen-Info. Der Name ist mir zwar öfter untergekommen, hab mich allerdings nie damit beschäftigt. Ja so kennt man die Essgewohnheiten seiner näheren Umgebung :-)