Mittwoch, 10. März 2010

Heiße Zitrone oder Als ich einmal der Frau Lehrerin widersprach


Heiße Zitrone Mit knapp zehn Jahren glaubte ich zwar nicht mehr an den Weihnachtsmann, aber durchaus noch an die Allwissenheit von Lehrkräften. Das änderte sich schlagartig, als eines schönen Schultages unsere benoteten Aufsätze zum mäßig originellen Thema "Als ich einmal krank war" zurückgegeben wurden. An der Stelle, wo ich das bei uns zuhaus übliche Heißgetränk bei Grippe & Co beschrieben hatte, leuchtete signalrot das Symbol für schlechten Stil, ergänzt um die Korrektur der Lehrerin: "~limonade". Limonade?! Limonade kannte ich, das waren kleine Flaschen sehr bunter und sehr süßer Getränke mit Prickel drin, die ich manchmal - "Nur ausnahmsweise!" - erhielt, wenn wir auf Ausflügen irgendwo einkehrten. Was hatten diese immer kalt servierten Wässerchen mit dem Geschmack von Lutschbonbons mit Heißer Zitrone zu tun? Nichts! Das teilte ich, empört ob des mir widerfahrenen Unrechts, flüsternd meiner Banknachbarin mit, die zurücktuschelte, ich solle das der Lehrerin sagen. Ein Vorschlag, den ich ganz erschrocken zurückwies - nie im Leben würde ich mich das trauen! Doch als Augenblicke später neben mir die Lehrerinnenstimme frug, "Was traust du dich nicht, Kinderl?", schoss ich verdattert hoch und stammelte: "Bitte, Frau Lehrerin, der Fehler ist falsch, das ist kein Fehler!"

Doch ebenso geduldig wie logisch argumentierend, bewies die Dame mir, dass der Fehler tatsächlich einer sei: Eine Zitrone sei eine Frucht, der mit Wasser vermischte Saft sei keine Frucht, sondern Limonade, ob heiß oder kalt. Kurz, eine heiße Zitrone könne allenfalls gegessen, aber sicher nicht getrunken werden: "Siehst du das ein, Kinderl?" Ich nickte unglücklich, wusste aber im tiefsten Inneren doch, dass sie irrte. Schließlich hatte sie doch verstanden, was mit Heißer Zitrone gemeint war - warum konnte sie also diese Bezeichnung nicht gelten lassen? Vermutlich war das der Tag, an dem ich regelhörigen Sprachformalismus unsympathisch zu finden und mich mit dem Motto der mir noch lange unbekannten Luise Pusch anzufreunden begann: "Wir machen uns unsere Sprache selbst." :-)

Keine Ahnung, warum ich mich ausgerechnet heute an diese Episode erinnert habe, aber sobald ich daran dachte, tat ich, was damals unmöglich war: Ich rief Onkel Wiki und Tante Google als Schiedsgericht an. Und erhielt späte Genugtuung - natürlich heißt dieses Getränk Heiße Zitrone. Wie denn auch sonst? :-)

Tante Google erzählte mir aber noch mehr und brachte mich damit wirklich zum Staunen: Heiße Zitrone gibts auch als Tütenprodukt, in Pulverform. Wer kauft denn sowas? Ich meine, es gibt vermutlich sehr viel mehr Lebensmittelläden als Apotheken und Drogerien, folglich dürfte es einfacher sein, an frische Zitronen zu kommen als an die Pülverchen. Schön, wahrscheinlich lässt sich ein Beutelchen mit Pulver etwas schneller öffnen als eine frische Zitrone halbiert und ausgepresst ist - aber was machen die paar Sekunden Unterschied schon aus? Offenbar viel, denn da es eine ganze Reihe von Herstellern gibt, die entsprechende Produkte anbieten, existiert wohl auch ein Markt dafür. Heiße Zitrone in Pulverform - was die Frau Lehrerin wohl dazu gesagt hätte? :-)

Pin It

10 Kommentar(e):

Rakaniaz meint:

Eigentlich ist das ja im weitesten Sinne ein Eigenname, also hattest du als Kind Recht ;)

Evi meint:

Ich glaube, manchmal haben Lehrer einfach ihren Rechthaben-Tag. Ich hatte mal eine Sport- und Chemielehrerin, die hatten diesen immer. Vor allem wenns um mich ging. ;)

Heiße Zitrone gibts hier in der Gegend gelegentlich sogar auf Kneipenkarten zu bewundern. Das wär ein Konter gewesen! :)

Petra aka Cascabel meint:

Klar nennt sich das heiße Zitrone! Da kommen heftige Kindheitserinnerungen hoch, ich habe sofort diesen Geschmack im Mund. Und ich sollte sie "so heiß wie möglich" trinken, das gab immer leicht verbrannte Lippen ;-) - aber tat so gut.

nicole meint:

Wahrscheinlich haette sie es Brausepulver genannt ;-)

Meine Deutschlehrerin markierte mir in die "Geisel" einen Fehler. Die schriebe sich mit ß. Mein Vater kopierte frech den Dudeneintrag und den gab ich dann mit der Verbesserung ab.

Anonym meint:

Nicht nur, das es nur Sekunden schneller geht, ist dieses Instantpulverzeugs auch hauptsächlich aus Zucker. Und damit, wie fast alle Instantpülverchen des Teufels.
(Wennschondennschon kommt an die gute selbstgebraute Heiße Zitrone ein Löffelchen guter Honig)

prjanik meint:

Ich hatte mal auf Arbeit eine erkältete Kollegin und diese schwört auf die "Heiße Zitron" aus dem Pulvertütchen. Vor allem auf Arbeit meinte sie, sind sie allemal besser, als mit der echten Zitrone zu hantieren.

nata meint:

Wenn es wirklich auch nur annähernd so viele Lebensmittelläden wie Apotheken gäbe, das wäre schön. Manchmal wünsche ich mir das...

F_A meint:

Ich mag Zitrone weder frisch noch aus Tüten. Aber ich denke, ich weiß, was der Vorteil der Tütchen ist. Wenn man wirklich krank ist, nimmt man lieber ein Tütchen aus dem Schrank, als erst Zitronen kaufen zu gehen. Ich habe aus diesem Grund immer mindestens zwei Schachteln Erkältungstee in der Vorratskammer. Der Drogeriemarkt ist zwar um die Ecke, mit Fieber schaffe ich es aber trotzdem nicht dorthin.

Anonym meint:

Wie schön, dass sich noch jemand an Luise Pusch erinnert, das macht mich richtig froh!
Und leider scheint es mehr Apotheken, als Lebensmittelläden zu geben, das lässt auch tief blicken.

Mini-Küche meint:

Ich sehe das auch eher als einen Eigennamen, eine recht verbohrte Lehrerin war das wohl damals :)

Eine süße Geschichte aber auf jeden Fall und meiner einer hat z.B. "Heiße Zitrone" überhaupt nur durch ein Tütenprodukt kennen gelernt, es lag mal als Beigabe in einer Sportlerzeitschrift und schmeckte gar gräßlich, aber es half. Später habe ich dann festgestellt, das die selbst gemachte Version ebenso gut wirkt - und viel besser schmeckt :)